Was ist ein Rotbier?
Ah, vielfältiges Nürnberg! Wiege des Lebkuchens und Heimat schmackhafter Rostbratwürste. Doch wusstest du, dass auch eine besondere Bierspezialität aus dem Herzen der fränkischen Metropole stammt? Die Rede ist vom Rotbier. Seines Zeichens kein eigener Stil, sondern viel mehr eine Art Sammelbegriff. Doch dieser führt auf eine faszinierende Reise ins Mittelalter und über die Grenzen Deutschlands hinaus. Grund genug, um dem Gebräu mal unter die Schaumkrone zu blicken – und zu erfahren, warum es wegen des Rotbiers sogar zu einem Rechtsstreit kam!
Warum ist das Rotbier rot?
Damit aus dem prallen Korn irgendwann Bier wird, benötigt es einiges an Vorbereitung. Zuerst wird es eingeweicht, damit es im nächsten Schritt auskeimen kann. Dabei verändern Enzyme die Struktur des Korns. Stärke wird aufgeschlossen und in Zucker umgewandelt. Beim anschließenden Darren wird dem Malz das Wasser wieder entzogen. Je länger dieser Prozess dauert, desto dunkler färben sich die einzelnen Körner ein. Du interessierst dich dafür? Schau dir gern unseren Artikel zum Thema Mälzen an!
Heute stehen für diesen komplexen Vorgang viele technische Helferlein zur Verfügung, die alle Parameter punktgenau überwachen. Im Mittelalter hingegen war die Darre mehr oder weniger dem Zufall überlassen. Dadurch entstand oft intensiv gefärbtes Malz, das im Bier für eine dunkelbraune bis rötliche Färbung sorgte. Auch die Lagerung im Holzfass trug dazu bei, dass das Rotbier zu seinem Namen kam.
Woher kommt Rotbier?
- Lagerung im gepichten Holzfass: Eine zusätzliche Harzschicht verhindert, dass die Kohlensäure austritt. Ein getoastetes Fass ist ein No-Go!
- Keine nachträgliche Vermischung, auch nicht aus demselben Sud!
- Keine oxidative Reifung durch den Zusatz von Kohlensäure oder Luftsauerstoff – schließlich handelt es sich um eine historische Brauweise.
Während die Kleinbrauereien ihr Handwerk hochhalten, schlich sich klammheimlich ein Platzhirsch in die Nürnberger Rotbierlandschaft. So kam es 2021 zu einem Rechtsstreit zwischen David und Goliath.
Tucher Original Nürnberger Rotbier
Was ist Nürnberger Rotbier? Wenn das die Frage ist, wäre Tucher die Antwort. Zumindest schreibt es sich diese Großbrauerei auf die Fahnen, das „Original Nürnberger Rotbier“ zu brauen. Diese Spezialität wird aus vier Malzsorten und mit untergäriger Hefe hergestellt. Danach wird der Sud getrennt. Ein Teil wird zum normalen Vollbier, der andere kommt zum Reifen ins Eichenfass. Das daraus resultierende Starkbier wird nach der Lagerzeit mit dem Vollbier verheiratet. Das Tucher Rotbier besticht durch seine beeindruckende Bernsteinfarbe und den tiefgründig-kräftigen Geschmack.
Tja, nur leider hat diese besondere Brauweise mit der traditionellen wenig zu tun. Die kleine Altstadtbrauerei unterhalb der Kaiserburg hat sich seit über 20 Jahren mit Leib und Seele dem Rotbier und seiner mittelalterlichen Rezeptur verschrieben. Sie zog deswegen vor Gericht – und bekam recht. Die Tucher Brauerei darf die Bezeichnung „Original Nürnberger Rotbier“ nicht mehr führen – schließlich kann es nur eines geben!
Belgisches Rotbier
Diese Bierspezialität unterscheidet sich deutlich von der deutschen Variante. Belgisches Rotbier ist ein klassisches Sauerbier: obergärig gebraut, mit Milchsäurebakterien angereichert und im Eichenfass gereift. Die einzige Gemeinsamkeit bildet das intensiv gedörrte Gerstenmalz. Federführend war hier die Brauerei Rodenbach aus Westflandern. Belgisches Rotbier bringt den charakteristisch sauren Geschmack mit Nuancen von Holz und Kräutern mit. Wenn du darauf stehst, gibt’s hier eine klare Probierempfehlung.
Red Ales
Irland gilt als weitere Wiege des Rotbieres. Keine Geringere als die Brauerei Kilkenny war es, die sich den Bierstil bereits 1710 zu eigen machte. Bis heute erhielt er sich unter dem Namen „Irish Red Ale“. Die typische Farbe entsteht durch den Einsatz von intensiv gedarrtem Malz, versetzt mit einer geringen Menge Röstgerste. Der Hopfenanteil ist zwar vorhanden, aber nicht in nennenswerter Höhe. Noch etwas obergärige Hefe dazu – fertig ist der kastanienbraune bis dunkelrot leuchtende Trunk, der von den Schotten auch „Leann Dearg“ genannt wird.
So genießt du dein Rotbier stilgerecht!
Falls du noch nie in den Genuss dieser extravaganten Brauspezialität gekommen bist, solltest du das definitiv nachholen. Bei 7-8 °C schmeckt Nürnberger Rotbier am besten. Beim Glas ist es nicht wählerisch. Es fühlt sich in einem Bierkrug genauso wohl wie in einem Kelch. Tatsächlich solltest du beim nächsten Trip nach München in einem der alten Brauhäuser vorbeischauen. Denn in seinem natürlichen Habitat verkostet sich das Rotbier am authentischsten.
Wie schmeckt Rotbier?
Mit einem Wort: faszinierend. Wobei es auch auf die jeweilige Variante ankommt, denn je nach Herkunftsland unterscheidet sich das Rotbier im Geschmack. Der Trunk aus Nürnberg besticht mit einem deutlichen Malzaroma, das mit feinen Karamellnoten und fruchtigen Nuancen dem Gaumen schmeichelt. Je nach Brauerei bewegt sich der Grundgeschmack zwischen leicht süß und wahrnehmbar bitter. Dabei bleibt es stets süffig und angenehm zu trinken. Der Alkoholgehalt liegt zwischen 4 und 5 %. Beim belgischen Rotbier überwiegt naturgemäß der fruchtig-saure Anteil, während die irische Variante malzig-süßlich um die Ecke kommt.
Was isst man zu Rotbier?
Da sich diese Biervariante wandelbar in Geschmack und Körper zeigt, sind auch den kulinarischen Möglichkeiten kaum Grenzen gesetzt. Ein Nürnberger Rotbier passt zur zünftigen Brotzeit ebenso wie zur herzhaften Pasta beim Italiener um die Ecke. Mildes Kalb lässt sich gern von einem roten Trunk begleiten, da seine dezenten Aromen perfekt mit dem Biergeschmack harmonieren.
Belgisches Rotbier mit seiner sauren Seite reichst du zu harzigem Käse oder kräftigem Wild. Außerdem wird es gerne als leichter Aperitif anstelle von Champagner genossen. Red Ales sind da schon etwas schwerer zu kombinieren. Im Zweifel bekommst du beim Biersommelier deines Vertrauens garantiert schmackhafte Empfehlungen.
Rotbier ist eine seltene und unterschätzte Sorte
Warum gibt es kein Rotbier mehr? Die Antwort auf diese Frage ist gar nicht so einfach. Möglicherweise liegt es an seinem speziellen Malzaroma. Oder an der historischen Brauweise, die nicht jeder umsetzen möchte, wie es der Fall Tucher eindeutig beweist. Jedenfalls: Bei der nächsten Stippvisite in Nürnberg weißt du, was du auf gar keinen Fall verpassen darfst. Lass uns gerne in einem Kommentar wissen, wie dir das Rotbier geschmeckt hat!