Barley Wine – ein Schwergewicht mit der Seele eines Weines
Normalerweise lassen sich Bier und Wein gut voneinander unterscheiden. Doch das Barley Wine balanciert gekonnt auf dem schmalen Grat zwischen beiden Kategorien. Warum? Weil es schwer im Körper, komplex im Geschmack und dunkel in der Farbe ist. Alles Eigenschaften, die auch ein guter Rotwein mitbringen würde. Heute gehen wir dem Geheimnis des Hybriden auf den Grund. Folge uns in die faszinierende Welt der Starkbiere!
Was ist Barley Wine?
Frei übersetzt bedeutet der Name Gerstenwein. Doch lass dich hier nicht auf eine falsche Fährte führen! Da dieses Gebräu aus Getreide und nicht aus Früchten hergestellt wird, handelt es sich um ein waschechtes Bier. Dennoch sticht das Barley Wine aus der Masse der Bierstile definitiv heraus. Als schweres britisches Ale bringt es stolze 7-14 % Alkohol mit – manche Sorten enthalten sogar noch mehr! Restsüße und Hopfennoten tanzen dabei am Gaumen um die Wette. Heraus kommt eine blumige Note mit Anklängen von Toffee, Karamell und Röstaromen, unterlegt mit einer gewissen Bitterkeit, mal mehr, mal weniger ausgeprägt. Besonders amerikanische Barley Wine Varianten entwickeln zusätzlich fruchtige Komponenten.
Um diesen komplexen und vollmundigen Genuss zu ermöglichen, lagert und reift das Barley Wine für mehrere Monate. Zuerst typischerweise in einem alten Wein-, Whiskey- oder Cognacfass, danach noch eine gewisse Zeit in der Flasche. Da dafür etwas Platz benötigt wird, ist dieser Bierstil eher nichts für Wohnzimmerbrauereien. Wahre Gourmets und Bierliebhaber*innen haben dafür immer ein paar Exemplare auf Vorrat, um dieses Bier stilecht zu zelebrieren.
So genießt du dein Barley Wine
Es wärmt die Seele und bereichert den Feierabend nach einem harten Arbeitstag. Ein Glas Barley Wine wird gemütlich genossen. Bei angenehmen 9 – 11 °C schmeckt es am besten. Verwende dazu einen Kelch oder ein Pintglas, da sich darin die Aromen ideal entwickeln. Achtung: Dieses Gebräu ist kein kurzlebiger Durstlöscher. Es möchte Schlückchen für Schlückchen zelebriert werden, immer ein bisschen Bier mit etwas Schaum gemeinsam. Das samtig süße Mundgefühl spricht dabei für sich. Apropos Schaum: Dieser ist so feinporig und dicht, dass du auch im leer getrunkenen Glas noch deutliche Spuren findest. Barley Wine ist wegen seiner Schwere ein klassisches Winterbier. Deswegen passt es am besten zu einem prasselnden Kaminfeuer und guter Gesellschaft.
Barley Wine im schnellen Steckbrief:
- Alkoholgehalt: in der Regel 9 – 14 %, manchmal mehr
- Stammwürze: 15 – 25 °P
- IBU (Bitterkeit): 25 – 40
- EBC (Farbstärke): 25 bis 40
- Geschmack: sehr reichhaltig, dessertähnlich, malzig süß und schwer
- Aussehen: Farbe variabel von dunkelgold bis tiefbraun, dicker sahniger Schaum
- Hefe: obergärig
- Reifezeit: mind. 7 Monate im Fass, mind. 6 Monate in der Flasche, abhängig vom Rezept
Geschichte und Herkunft
Mit einem Blick auf die Geschichte wird der Zusammenhang zwischen Barley Wine und Wein deutlich. Auch wenn eine genaue zeitliche Einordnung nicht möglich ist, wird sein Ursprung auf das späte 18. Jahrhundert datiert. Zu dieser Zeit lagen sich England und Frankreich in den Haaren. Wegen dieser Unruhen traute sich kein Adeliger, auf eigene Faust französischen Wein zu bestellen! Der Bestand wurde knapp und schnell war klar, dass Ersatz her musste. Um der Abhängigkeit von Frankreich zu entsagen, begannen die Engländer mit dem Brauen des „Gerstenweins“. Dabei handelte es sich um in Holzfässern gereifte Starkbiere, die dem Geschmack des Rotweins nahekommen sollten. Vermutlich war es die englische Brauerei Bass, Ratcliff & Gretton, die dieses Gebräu erstmals unter dem Namen Barley Wine verkaufte.
Der hohe Alkoholgehalt kam dem Adel damals gerade recht. Denn er versprach gute Laune und eine gewisse Desinfektion von innen. Schließlich waren Wasser und Lebensmittel oft nur bedingt genießbar. Über die Brauerei Anchor Brewing Company erreichte das Barley Wine schließlich im Jahr 1970 Amerika. Dort wurde der unbekannte Bierstil mit offenen Armen empfangen, runderneuert und publik gemacht. Bis heute unterscheidest du zwischen amerikanischem und britischem Stil. Beides ist im Kern ein Barley Wine, und doch heben sich beide Varianten deutlich voneinander ab.
Die britische Version zeichnet sich durch ein blumiges Aroma und kaum Bitterkeit aus, während der amerikanische Trunk eher fruchtig und mit bitterem Wumms im Abgang um die Ecke kommt. Durch die starke Malzsüße entsteht dabei ein geschmacklicher Spannungsbogen, den Kenner des Stils umso mehr schätzen.
Wie wird Barley Wine gebraut?
Hast du dich schon gefragt, wie dieses Bier seinen beeindruckenden Stammwürzegehalt erhält? Der normale Brauprozess stößt da schnell an seine Grenzen. Daher kommt beim Barley Wine ein spezielles Verfahren zum Einsatz, das unter dem Namen Parti-Gyle bekannt ist. Das Besondere daran: Du verzichtest darauf, die Vorderwürze mit dem Nachguss zu „verdünnen“, sondern verwendest sie einfach pur. Dadurch ist sie besonders reich an Extrakt. Wichtig ist, eine strapazierfähige, obergärige Hefe mit hoher Alkoholtoleranz zu verwenden. Ansonsten behält dein Barley Wine zu viel Restzucker und das Gebräu schmeckt eher nach Sirup als nach aromatischem Bier.
Beim Hopfen scheiden sich die Geister. Während die Briten auf blumige Nuancen setzen, kommen die Amerikaner mit der ganzen Breitseite an Hoch-Aroma-Sorten daher. Dabei rühmen sich diese Craft Beer Brauer oft mit ihren Bittereinheiten jenseits der 120. Falls du dich wunderst, wie diese absurd hohen Werte zustande kommen: reine Rechenarbeit. Denn auch der beste Hopfen der Welt stößt irgendwann an seine Löslichkeitsgrenze und im finalen Gebräu sind viel weniger IBU enthalten.
Ein weiterer wichtiger Faktor auf dem Weg zum perfekten Barley Wine ist das Enzym Beta-Amylase. Ab 40 °C beginnt es damit, die Stärke im Malz in vergärbaren Zucker zu zerlegen. Seine Bestleistung bringt es bei rund 65 °C. Daher solltest du bei der Malzrast Temperatur und Dauer darauf abstimmen.
Beerpairing – diese Kombis musst du probieren!
Als Degustationsbier steht das Barley Wine für sich. Es weiß besondere Momente zu krönen und glänzt mit seiner Komplexität. Durch seinen vollen Körper lässt es dem Magen ohnehin wenig Platz. Dennoch: Es muss bei Weitem kein einsames Dasein fristen. Beim Beer Food Pairing fungiert das Barley Wine als Dessertbier. Es begleitet eine selbstgemachte Mousse au Chocolat genauso, wie weihnachtliches Früchtebrot.
Du bist experimentierfreudig? Dann trau dich und kombiniere dieses Starkbier mit Käse. Denn was Wein kann, kann dieser Bierstil schon lange! So sollen Barley Wine und Blue Stilton die Geschmacksnerven auf den Höhepunkt treiben. Falls du an diesen exquisiten Blauschimmelkäse nicht herankommst, verwendest du alternativ Gorgonzola oder Roquefort. Diese Kombination ist auch optisch ein Augenschmaus, der den perfekten Abschluss für ein Dinner mit lieben Freunden bietet.
Fazit: Barley Wine ist für Genießer, Kenner und Liebhaber
Nicht jeder schätzt ein sahniges Mundgefühl, einen schweren Körper und komplexe Nuancen am Gaumen. Für schnelle Trinker ist das Barley Wine Verschwendung, für Genießer jedoch eine Einladung. Einen kleinen Schluck im Mund bewegen und die Aromen identifizieren – besser kannst du nach einem harten Arbeitstag nicht runterkommen. Ein Bierstil, der Grenzen verschwimmen lässt und Geschmacksnerven polarisiert.