Wie geht Kalthopfung und was bitte ist Hopfen stopfen?
Wunderbare Aromen im Bier, schon direkt beim Öffnen der Flasche oder spätestens im Glas erfreut nicht nur die Nase, sondern ist auch entscheidend für unseren ersten Eindruck beim Bier trinken. Die Bandbreite ist großartig von blumig, würzig, bis hin zu fruchtig, karamellig oder aber auch Menthol oder Heu. Um diesen Effekt noch zu verstärken haben wir verschiedene Möglichkeiten. Eine davon als Hobbybrauer und Brauerin ist die Kalthopfung.
Die Hopfen Kochung
also die Nutzung vom Hopfen während des Kochens bringt zwar die Bitterstopfe des Hopfens ins Bier, aber das Aroma ist nicht stabil. Die flüchtigen Verbindungen aus dem Hopfen werden beim Kochen „ausgetrieben“ – fort, weg, nicht mehr oder nur im geringen Maße noch vorhanden. Je näher jedoch die Hopfengabe ans Ende der Kochung rückt, desto weniger ätherische Öle werden ausgedampft oder ausgetrieben. Noch besser für die Aromen im Bier ist die Zugabe von Hopfen nach dem Start der Gärung bezeichnet durch:
Kalthopfung, da es nicht während der Bierherstellung im heißen Bereich zu gegeben wird.
Hopfen stopfen, da der Hopfen nachträglich in das gärende Bier gesteckt wird, manchmal auch in ein Hopfenzylinder gestopft.
Dry-hopping, im Englischen, da … tja gute Frage, der Hopfen eigentlich immer nass wird und er auch ins nasse Bier kommt. Wo auch immer das „dry“ herkommt.
Hintergrund Kalthopfung
Die Technik der Kalthopfung ist bekannt geworden durch die Craftbier Szene. Jedoch Literatur bis ins 18. Jahrhundert zurück zeigt die Nutzung von solchen Verfahren für verschiedene Bierstile und Rezepturen. Hauptsächlich jedoch angewandt im Angelsächsischen und zur Verbesserung der Haltbarkeit des Bieres. In unserem Kulturkreis scheint die Kalthopfung fast keine Bedeutung beigemessen zu sein. Damals! Heute geht ohne die charismatischen Aromen insbesondere im India Pale Ale nichts mehr. Im Gegenteil, ein IPA lebt davon. Schon beim Einschenken ins Glas trifft den geneigten Trinker direkt ein ganzer Obstkorb in die Nase. Dieses wunderbare Erlebnis wird durch die Kalthopfung erreicht. Idealerweise finden sich die Aromen später auch im Bier wieder, so dass die Nase nicht mehr verspricht als das Bier auch halten kann. Prinzipiell kann jeder Bierstil gehopft werden, hier ist der Kreativität keine Grenzen gesetzt.
Kalthopfungszeitpunkte
Hopfung während der Hauptgärung:
hier kann sich durch die Interaktion zwischen Hefe und Hopfen die Hopfenölzusammensetzung verändern. Die Gärungskohlensäure treibt die Aromastoffe aus dem Bier getrieben.
Hopfung direkt nach Hauptgärung:
nachdem das Bier seinen Vergärungsgrad erreicht hat, wird der Hopfen zugegeben und 48 Stunden im Fermenter belassen. Die Gefahr eines butteriges Fehlaromas ist gering.
Hopfung während der Lagerung:
hier kommen eher die grün-hopfigen Aromen ins Bier. Auf alle Fälle geht weniger Hopfenaroma verloren als bei der Kochung. Aromatisch sind wir dem frischen Hopfen recht nahe.
Durchführung und Dauer
Sofern die Hefe noch im Bier ist, am besten ein ausgekochtes Hopfensäckchen mit etwas Gewicht versehen, wie desinfizierte Murmeln oder Edelstahl Elementen, und zu den Hopfenpellets in den Fermenter geben. Am Rande festzurren damit kein Kontakt mit der am Boden abgelagerten Hefe entsteht und diese wieder aufgewühlt wird. Nach 48 Stunden ist der Hopfen ausgewaschen, das Aroma hat sich extrahiert. Maximal jedoch 72 Stunden. Untersuchungen zur Folge ist nach 3 Tagen ziemlich das gesamte Aroma extrahiert und ins Bier übergegangen. Je länger der Hopfen ausgelaugt wird, desto mehr geschmacklich unerwünscht Aromen können im Bier entstehen.
Eine andere Möglichkeit besteht während der Diacetyl Rast, also nach der Hauptgärung sobald die Hefe abgezogen wurde. Dabei ist es egal, ob das Bier in ein Fass oder neuen Fermenter abgefüllt wird, Hauptsache die Hefe ist fort. Hopfen Pellets lassen die Aromastoffe deutlich besser ins Bier übergehen als Hopfen Dolden. Insbesondere frische Hopfen Dolden sind hier ungeeignet, da die Gefahr einer Infektion des Bieres besteht. Während der Diacetyl Rast die Pellets ohne Säckchen zufügen. Dadurch gelangt mehr Flüssigkeit an den Hopfen und eine schnellere Extraktion findet statt. Wenn nur mit kleinen Behältnissen gearbeitet wird, kann der Gäreimer per Hand ab und zu bewegt werden. Auch mit diesem Trick geht die Extraktion schneller voran.
Herausforderung
Hopfen gestopfte Biere können ein „hop creep“ Phänomen entwickeln. Creep bedeutet auf Deutsch kriechen, schleichen oder creepy drückt es noch besser aus: unheimlich, gruselig. Damit ist gemeint, dass hopfengestopfte Biere nochmals ihre Vergärung starten, schleichend nochmals den Alkoholwert nach oben schrauben. Gruselig geschmacklich gesehen, können diese Biere einen Diacetyl Aroma entwickeln. Diacetyl ist ein Fehlgeschmack im Bier, der an Butter erinnert. Diacetyl entsteht als chemisches Nebenprodukt bei der Gärung. Abhilfe bringt die Diacetylrast. Hierbei lagert das Jungbier am Ende der Hauptgärung nach dem Abfüllen für mindestens 24 Stunden bei 20°C. Danach darf es an seinen kühlen Nachgärungsort gestellt werden.
Ursache des Hop Creeps
Bei der Kalthopfung bringt der Hopfen wieder Zucker ist Bier und aktive Enzyme. Bei der Anwesenheit von Resthefe im Bier kommt es zu einer Nachgärung. Bei dieser zweiten Gärung bildet Hefe erneut Diacetyl. Das darf sie auch und ist normal. Aber, die Hefe ist nicht mehr stark genug, um diesen „Buttertouch“ wieder abzubauen. Ganz schlimm wird es dann, wenn das Bier abgefüllt in Flaschen im warmen Raum gelagert wird. Die ungewollte Nachgärung kann dann sogar bewirken, dass die Flaschen bersten. Nicht sehr schön und gefährlich obendrein.
Lösungen zur Vermeidung von Hop Creep
Glücklicherweise haben wir verschiedene Möglichkeiten, nur das Aroma aus dem Hopfen raus zu kitzeln, und nicht die creepy Nebeneffekte. In unseren Rezepten verwenden wir grundsätzlich aufkonzentrierte Hopfenprodukte in Form von Pellets. Diese haben weniger Enzympotential und können somit weniger Zucker bilden. Empfohlen von Jens Luckart, Experte und Geschäftsführer der Kiesbye Akademie für Bier Nerds sind folgende Hopfensorten mit niedrigem Enzympotential:
Aromaprofil Rohhopfen
Typische Bierstile
Centennial
Zitrus, Beeren, Holz und würzig
Pale Ale, IPA, Stout, Barley Wine
Crystal
Fruchtig blumig nach Zitrus, süssen Früchten, grüne Früchte
Amerikan Light Lager, Pilsner, IPA
East Kent Golding
Krautig-erdige und leicht würzige Noten sowie holzig und Zitrus
Englische Alebiere wie Pale Ale, English Bitter
Hersbrucker
Feinwürziges Aroma sowie krautig, holzig, grüne Früchte und Zitrus
Helles, Belgische Farmhouse Ale, Pils, Hobbybrauer dunkel
Saazer
Mild erdig und würzig nach grünem Gras, Holz und Kräuter
Pils und andere Lagerbiere
Die Beschreibung des Geruchs und des Geschmacks im Bier soll nur als Hilfe dienen. Je nach Anbaugebiet und Jahrgang können die Ausprägungen in ihrer Intensität sich deutlich unterscheiden. Falls der eigene Hopfen in das Bier soll, empfehle ich auf alle Fälle den Einsatz im Heißbereich, also während der Kochung oder im Whirlpool.
Außerdem können folgende Maßnahmen ergriffen werden, die wir auch in unseren Rezepten berücksichtigen und in unserem Buch Bier brauen 2.0 in der Anwendung erklärt haben:
- Die Kalthopfung während der Diacetylrast, also direkt nach der Hauptgärung
- Nach dem Kochen möglichst viel vom Trub raus filtern. Das heißt, die Hopfenpartikel sowie die gelösten Eiweißflocken werden mit einem Tuch, Sieb oder dem Whirlpool Prinzip im Brautopf gelassen
- Beim Abfüllen möglichst wenig Hefe in die Flaschen oder Fässer einbringen
- Hefe korrekt lagern und anstellen, so dass sie gesund und vital ist
- Weniger Hopfenmenge ist in der Kalthopfung definitiv mehr
Grundsätzlich gilt für kaltgehopfte Biere: schnell verbrauchen. Denn Bier ist ein Frischeprodukt. Insbesondere, wenn mit ordentlich Hopfen oder hopfen lastigen Bierstilen gearbeitet wird, sollte das Bier schnell verbraucht werden. Hopfen verliert mit der Zeit sein wunderschönes Aroma im Bier. Ein IPA lange Lagern macht somit nicht viel Sinn, da die Stabilität des Hopfenaromas im Laufe der Bieralterung abnimmt. Das ist auch gleich die Gute Nachricht. Falls ihr für euch selber eine Ausrede braucht, das Bier zu trinken!
Prost wünscht Anja, die Bier Sommelière vom Team Gastro Brennecke